Knigge-Tipps: Vorsicht, Rohe Weihnachten!
Sophie von Seydlitz von der Knigge Gesellschaft gibt im SZ-Interview Knigge-Tipps für Weihnachten, damit Sie die Festtage möglichst harmonisch erleben.
Knigge-Tipps für Weihnachten
Grünwald– Im Dezember wird Sophie von Seydlitz regelmäßig gebucht um als Überraschungsgast auf Firmenweihnachtsfeiern gutes Benehmen bei einer Essenseinladung zu erklären –
etwa wie man mit einem Fleischspieß formvollendet umgeht. Sie ist Vorstandsmitglied der Deutschen Knigge Gesellschaft und gibt Kurse zu Umgangsformen für Erwachsene und Kinder. Sie wohnt in Grünwald, hat zwei Söhne und ist eine Höfliche und humorvolle Gesprächspartnerin, der es darum geht „neue Sichtweisen im Umgang miteinander aufzuzeigen.“ Auch für die Weihnachtsfeiertage.
SZ: Warum haben manche Leute Angst vor den Feiertagen?
Sophie von Seydlitz: Ich würde es eher Unbehagen nennen, und das kann ich verstehen. Wann sonst hat man so viel Familie um sich. Man glaubt viele Erwartungen erfüllen zu müssen.
SZ: Und dann kommt der Stress.
Sophie von Seydlitz: Eigentlich fängt das Unbehagen ja schon im September oder Oktober an, wenn die ersten Lebkuchen in den Regalen stehen. Ich habe mich selbst viele Jahre dermaßen gegen diese frühe Weihnachtsüberhäufung gewehrt, dass ich dann vergessen habe, mich frühzeitig vorzubereiten. Wenn ich aber gut plane, entschärfe ich die Geschichte und schenke mir selbst Zeit. Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Ansprüche der Familie und der Verwandtschaft stressig sind. Aber auch an sich selbst hat man oft viel zu hohe Ansprüche und möchte perfekt sein.
SZ: Wie kommt man gut durch diese Zeit?
Sophie von Seydlitz: Indem man auf die Menschen um einen herum eingeht und sich nicht übernimmt. Dann gibt es halt nicht am ersten Abend die Gans und am zweiten den Tafelspitz und so weiter. Lieber mit den Kindern zusammen Geschenke einpacken, Plätzchen backen, Geschichten vorlesen und sich an den eigentlichen Grund des Festes erinnern, selbst wenn man nicht gläubig ist. Auch der enorme Geschenkkonsum erzeugt Stress.
SZ: In vielen Familien kracht es gewaltig, auch am heiligen Abend. Kommt man da mit Benimmregeln weiter?
Sophie von Seydlitz: Das hat weniger etwas mit Etikette zu tun, sondern mit einem Gefühl der Wertschätzung. Es ist wichtig, sich zu fragen, was der andere gerade für Bedürfnisse hat. Man muss ein bisschen ausprobieren, was der Familie gut tut, vielleicht muss auch nicht alles gemeinsam stattfinden, man sollte den anderen Freiheiten zugestehen.
Knigge für Einladungen
SZ: Darf man sagen wenn man keine Lust auf eine Einladung hat?
Sophie von Seydlitz: Das ist sehr schwierig. Das kommt darauf an, von wem sie kommt. Das Treffen mit einer guten Freundin kann man verschieben. In anderen Fällen sollte man sich die Einladung schön reden: die Vorteile sehen und das Beste daraus ziehen.
SZ: Und wenn man jemanden nicht einladen will?
Sophie von Seydlitz: Ich denke man sollte niemanden ausladen. Das gibt zu viel Zündstoff in der Familie. Vielleicht kann man aber mit demjenigen im Vorfeld – möglichst freundlich – darüber sprechen, warum man Probleme mit ihr oder ihm hat. Wenn die Person dann nicht entsprechend reagiert, zieht man die Konsequenzen vielleicht im nächsten Jahr.
SZ: Wie geht man mit mehreren Einladungen zu Silvester um?
Sophie von Seydlitz: Da kann ich mir ruhig überlegen, wo ich am liebsten ins neue Jahr feiern möchte. Ein echter Knigge-Verstoß ist hingegen, wenn um Mitternacht alle Handys klingeln. Die sollte man unbedingt abstellen. Auch aus Respekt vor dem Gastgeber.
SZ: Keine Handys bei Tisch?
Sophie von Seydlitz: Das ist ein Riesenthema. Beim Essen das Gerät lieber in der Tasche lassen und ausschalten.
Smalltalk – So geht`s
SZ: Wie kommt man in ein lockeres Gespräch?
Sophie von Seydlitz: Das ist für die Deutsche ein schwieriges Thema. Obwohl man sich ja eigentlich ständig im Smalltalk befindet. Es gibt aber viele Einstiegs-Möglichkeiten: Man kann über den Weg zur Party oder über die Festtage sprechen. Lesen Sie zum Beispiel vorher die Zeitung, besonders den Kulturteil, dann haben Sie Stoff. Komplimente sind auch ein guter Starter, wenn sie nicht zu plump daher kommen und ernst gemeint sind. Ist einem jemand nicht so sympathisch, kann man es auch als Aufgabe sehen, demjenigen mit Freundlichkeit zu begegnen. Sicher reagiert der andere ebenfalls freundlich, sodass die Begegnung unerwartet ein gutes Gefühl hinterlässt.
SZ: Welche Gesprächsthemen sollte man vermeiden?
Sophie von Seydlitz: Politik, Krankheiten und Religion – das sind absolute Tabu-Themen leider leben wir in einem Land in dem man sich über den Beruf identifiziert. Wenn ich aber überlege, was mich eigentlich neben meinem Job interessiert, dann entstehen ganz schnell Gespräche.
SZ: Und wie entkommt man der aufdringlichen Tante, die alles genau wissen will?
Sophie von Seydlitz: Sie spiegeln und Gegenfragen stellen. Das merken die Leute ganz schnell. Mit Witz kommt man aus solchen Situationen auch gut raus.
Essen und Trinken Knigge-Tipps für Weihnachten
SZ: Was soll man machen, wenn man merkt, dass ein Freund oder Verwandter zu viel trinkt?
Sophie von Seydlitz: Jeder sollte selbst wissen, wann es genug ist. Aber Augen auf, wenn derjenige seinen Autoschlüssel zückt.
SZ: …und wenn man etwas nicht essen möchte?
Sophie von Seydlitz: Dann nicht essen. Vielleicht nicht offensichtlich, sondern eine kleine Gabel nehmen und dann stehen lassen. Die wenigsten werden nachfragen. Wenn doch, dann kann man sagen: Tut mir leid, aber das zu essen fällt mir schwer.
Knigge-Tipps für Gäste
SZ: Muss man pünktlich sein?
Sophie von Seydlitz: Das finde ich extrem wichtig. Pünktlichkeit ist Respekt, es dürfen auch fünf Minuten später als ausgemacht sein. Aber auf keinen Fall mehr als die akademische Viertelstunde.
SZ: Was sagt es aus wenn ein Gast sich nach einem Abend nicht bedankt und sich lange nicht meldet?
Sophie von Seydlitz: Das muss erst einmal nichts bedeuten außer Gedankenlosigkeit. Aber es ist traurig, weil es den Anschein erweckt, als wäre die Einladung dem anderen nicht viel wert gewesen.
Eine Rückmeldung ist wie der Applaus im Theater. Es ist eine Wertschätzung. Ich finde aber, ein Danke mittels einer SMS nicht so elegant. Lieber telefonisch oder mit einer Karte.
Interview: Sabine Buchwald